6.-13.11.2022 Ein Hauch von Orientexpress

Der Serra Verde Express fährt zwischen 15 und 35 Km/h von der Stadt Curitiba nach Morretes. In Nostalgie und Würde schleppt sich die Eisenbahn über Steigungen, Brücken, Tunnels, Regenwald und Berglandschaft.

Manchmal stöhnt sie, manchmal pfeift sie, manchmal raucht sie – doch die Lady gibt alles um die ca. 90 km in 3 Stunden zu schaffen.

Wir spielen Massentourist und buchen ein Arrangement mit Zug-Fahrt, Getränken, Mittagessen, Ausflügen und Rückfahrt mit dem Bus. Wir bekommen Seniorentickets und zwei schöne Sitze in der Nostalgie Abteilung.

Myriam und Thimon sind mit von der Partie mit Einfach-Tickets (sie sind einfach schlauer als wir.) Am Sekt nippend lassen wir die ganze Topfpflanzenabteilung von der Gärtnerei Kuster an uns vorbeiziehen wie Hortensien, viele Arten von Gummibäumen, Feigenbäumen, Orchideen usw.

Die Zugfahrt gefällt uns sehr gut. Fast wünschten wir uns, dass der Regenwald weniger dicht wäre und wir eine bessere und längere Sicht auf die Berge hätten.

Die Momente der Sicht sind wunderschön.

In Morretes ist aber Schluss mit lustig. Wir werden in Busse gepackt und los geht es zum Themenpark wo uns von einer jungen Frau in Roboter Stimme und null Motivation die Entstehungsgeschichte aufgedrängt wird. Bus rein, Bus raus, Restaurant rein, essen an grossen Tischen, Restaurant raus, Bus rein und in rasanter Fahrt erreichen wir Antonina, ein Hafenstädtchen mit Ruinen und guter Glacé.

Bus raus, Ruinen anschauen, Glacé kaufen, Glacé schlecken, Bus rein und zügig frech und kurvenreich fahren wir zurück nach Curitiba. Ein Erbe von meinem Dädy ist, dass ich Bus fahren überhaupt nicht mag. In den Rechtskurven kriege ich vor Angst, dass der Bus kippen könnte feucht nasse Hände und der Mageninhalt nähert sich beunruhigend dem Kehlkopf.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, Übelkeit und schlechter Laune sind wir so was von glücklich, wieder in unserem Bus zu sitzen und so was von dankbar, 95 Prozent der Reise Individual-Touristen zu sein.

Die Kulturstadt Curitiba hat was sehr charmantes. Die über 3 Mio. Stadt kommt sympathisch daher mit alten Kolonialhäusern, modernen Bauten……

… einem botanischen Garten

… und einem weltbekannten Architekten.

Oscar Niemeyers Museum prägt das Stadtbild. Er gilt als Wegbereiter der modernen brasilianischen Architektur. Niemeyer entwirft zahlreiche öffentliche Gebäude für die brasilianische Hauptstadt Brasília, die 1987 zum Weltkulturerbe erklärt wird. Wikipedia

Die nächsten 640 km fahren wir zügig durch eine echt schöne Landschaft mit Mais-, Weizen-, und Sojafelder nach Foz de Iguazú, die Stadt zu den gleichnamigen Wasserfällen.

Zuerst besuchen wir den Parque des Aves, einen Vogelpark. Papageien stehen Spalier, Ibise leuchten in rot, Schmetterlinge flattern um die Wette.

Foz de Iguazú ist die erste Grenzstadt die wir aufgeräumt, gut organisiert und sauber erleben. Und die Wasserfälle erst. Der Fluss Iguazú, ruhig und unaufgeregt 1300 km fliessend, donnert plötzlich in mehreren hundert einzelnen Fällen 2 stufig 57 bis 72 m in die Tiefe. Eine gewaltige Wasserkraft die alle Besucher begeistert und beeindruckt. Uns ebenso. Eine Urgewalt die sich Argentinien und Brasilien teilen. Wir lauschen dem Toben, Brodeln, Rauschen und lassen uns einsprühen von der Gischt. Iguazú heisst „grosses Wasser“, was für ein treffender Name.

Der Itaipu-Damm ist der Zweitgrösste der Welt. Wir buchen eine stündige Panoramafahrt und finden den Besuch absolut lohnend. Der Fluss Paraná wird gestaut und nach 10-jähriger Bauzeit 1984 in Betrieb genommen. Das Projekt verschlingt 19,6 Milliarden USD. Das Wasserwerk könnte die ganze Welt für 40 Tage mit Strom versorgen.

Brasilien/Süden:

Ein Land das uns überrascht im äusserst positiven Sinn. Strand, Regenwald, Inseln, Berge, Seen, Städte, Hochhäuser, seltene Tiere – Abwechslung pur. Die Menschen sind locker drauf und freundlich. Schade wird portugiesisch gesprochen, es stiehlt uns die Spanisch-Lernfreude. Brasilien – wir kommen wieder!

Unsere gefahrene Strecke in Brasilien mit ca. 3500 Kilometern.

Argentinien ist unser 70. Reiseland, der Grenzübertritt einfach, locker und problemlos. Was sofort auffällt? Die Grenzstadt Puerto Iguazú hat im Vergleich zum brasilianischen Teil wenig Charme. Es wird spanisch gesprochen, die Währung, argentinische Pesos, schlägt Purzelbäume.

Hier besuchen wir Teil Zwei der Wasserfälle. Auch spektakulär, auch überwältigend doch der Besucherstrom dämpft bei mir das Naturerlebnisses erheblich. Es scheint, dass die Menschen mehr Interesse an Selfies haben. „Sich ins rechte Licht zu setzen“ scheint bei Weitem wichtiger zu sein als das Naturwunder zu bestaunen und so verursacht die selbstverliebte Menschenmasse Staus an den neuralgischen Punkten. Verrückte Welt.

Zugegeben, sie ist ja hübsch aber hat sie oder er was von den Fällen gesehen?

Leider ist der letzte Steg Garganta del Diablo wegen zuviel Wasser geschlossen. Iguazú brennt sich aber als ein einzigartiges und unvergessliches Erlebnis in unsere Matrix ein. Es sind Fälle, die mit nichts zu vergleichen sind, was wir bis jetzt gesehen haben, auch nicht mit den Victoria Fällen in Sambia/Simbabwe.

Nach anstrengenden Tagen gönnen wir uns zwei Tage Pause am See Arroyo Uruguay. Waschen, putzen, Dog spielen, plaudern, baden und viel schlafen sind angesagt. Solche Tage müssen einfach sein.

Einzig die Plagegeister Kriebelmücken vermiesen uns das herrlich warme Wetter dieser Woche. Sie lauern überall, hinterlassen Bisse, Hämatome, Schwellungen –  fast bis zur Verzweiflung.

 

Fazit der Woche: Kraftvolle Natur macht Menschen ganz klein. 

 

 

Ein Kommentar zu „6.-13.11.2022 Ein Hauch von Orientexpress

  1. Hallo Heidi

    Mit grossem Interesse verfolge ich deine wöchentlichen Blogs. Nun seid ihr also bei den Iguazu Wasserfällen angelangt. Dort waren Rita und ich vor knapp vierzig Jahren (1984). Damals wurde gerade die Itaipu-Wasserkraft-Stromerzeugung in Betrieb genommen, was mich als El. Ing. schon damals begeisterte. Nun hast du allerdings mit deiner „40 Tage-Aussage“ meine Stromverbrauchs-Plausibilitäts-Überlegungen herausgefordert 😁.

    Frankreich erreicht mit seinen 56 AKW eine Gesamtleistung von 61 GW (falls alle laufen würden), womit aber lediglich ein kleiner Bruchteil des weltweiten Stromverbrauchs gedeckt werden kann.

    Itaipu erzeugt mit einer Leistung von 14 GW wesentlich weniger. Nehmen wir an, mit diesen 14 GW könnte ein Jahr lang ohne Unterbruch Strom erzeugt werden – was allerdings bei einem Wasserkraftwerk praktisch nie vorkommt. Dann würden 14 GW x 365 Tage à 24 Stunden = 122 TWh Energie erzeugt.

    Der weltweite Stromverbrauch lag im Jahr 2021 bei 30’235 TWh. Das bedeutet, dass Iguazu knapp 1.5 Tage die Welt mit Strom versorgen könnte.

    Trotzdem weiterhin gute Reise und liebe Grüsse.
    Guido

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