In Moyale will kein Tourist freiwillig bleiben! Die Nähe zur Grenze ist der einzige Grund, die Nacht hier zu verbringen. Die Stadt ist schmutzig, unsympathisch und taugt nicht mal zum Einkaufen.
Wir erledigen die Zollformalitäten auf beiden Seiten speditiv. Der kenianische Beamte, zuständig für das Carnet, fordert Landeseintrittsgebühren und die Verzollung von Mr. Clooney (Nespresso Kapseln 1200 Stück) 😃. Vehement wehren wir uns und er krebst zurück.
Auf 230 km fahren wir durch Wüste und Halbwüste auf perfekter Strasse auf der linken Strassenseite (englische Kolonialzeit) nach Marsabit. Wir können die Menschen von Kenia noch nicht einordnen. Sie lassen uns in Ruhe, sind aber distanziert.
6 Tage Fahrpause in Marsabit beim Camp Henry und Rosanna gibt uns Zeit, die Überflutung von Bildern der letzten Wochen zu verarbeiten. Alltägliches wie grosse Handwäsche, Kühlschrank putzen usw. wird erledigt und dank meinem Patenkind Beat lehnen wir zurück für den ersten Kinoabend.
Das wäre mein Traumfilm gewesen, war leider nicht auf der Mediathek.
Kochen im ReMo: Über 80 Prozent koche ich selber für uns. Die Menüs richten sich nach dem Landesangebot. Meine Küche ist, mit Omnia Backofen, Dampfkochtopf, Stabmixer, Wasserkocher, Flotte Lotte und vielem mehr, gut ausgerüstet. Es gilt vieles zu beachten, Wasser- und Gasverbrauch sind die zentralen Punkte.
Zähle ich die Chips und Petite Beurre dazu, kommen wir auf ein 4 Gang Menü. Wir essen einfacher aber nicht schlechter als zu Hause. Häufig steht: Risotto, Nudel-, Reis- und Eiergerichte aller Variationen, Kartoffeln von Stampf bis Rösti, Gemüse von Curry bis Eintopf, Suppen und wenig Fleisch auf dem Speiseplan. Einkaufen auf dem Markt lässt uns Menschen erspüren und riechen, essen im Bus vermittelt das Gefühl von Zuhause sein.
Wir sind ausgeruht und gestärkt für eine steinige Strecke durch Savanne und Lavawüste nach Loiyangalani am Turkana See.
Unsere Liter Flaschen Wasser gehen weg wie frische Weggli. Alle scheinen durstig zu sein und unserem Motto „1 Stopper pro Tag“ bleiben wir auch in Kenia treu.
Vorläufig ist Schluss mit Asphaltstrasse. Über 250 km Sandpiste, Schotter und Lava fahren wir über hüglige Landschaft und ausgetrocknete Bachbetten. Das Auto wie wir sind gefordert. Die Stossdämpfer stöhnen, der Inhalt der Schränke ist ausser Rand und Band, die Silikonfugen jammern, die Möbel knarren, die inneren Organe werden durchmassiert und die überschüssige Altershaut zittert wie Wackelpudding.
Wir brauchen 7 Stunden reine Fahrzeit!
Der Windpark Lake Turkana ist die grösste Anlage in Afrika. Zur Finanzierung des Projekts waren 800 Millionen Euro nötig, womit der Windpark die größte Investition in Kenias Geschichte ist. Die Weltbank zog sich 2012 aus der Finanzierung zurück, diverse Banken aus der ganzen Welt mussten einspringen.
Der Baubeginn fand im Juli 2015 statt. Die letzte Windkraftanlage wurde im März 2017 errichtet, total 375 Stück. Die ersten Windräder speisten im September 2018 Strom ins Netz ein, nachdem es zuvor Probleme mit dem Anschluss gegeben hatte.
Loiyangalani ist eine kleine Stadt mit 1000 Einwohner. Der Name bedeutet “ein Ort mit vielen Bäumen” in der einheimischen Samburu-Sprache. Hier lebt das Volk der Turkara, Samburu und El Molo. Sie sind vorwiegend Viehzüchter und Fischer.
Zentral in der Samburu Kultur ist die Achtung der Ältesten, vorwiegend der Männer. Jede Altersstufe bekommt außerdem spezifische Aufgaben zugeteilt. Kinder kümmern sich um die Ziegen und Schafe, beschnittene junge Männer um die Rinderherden und verheiratete Männer um die Gemeinschaft.
Die Frauen sind für die Hütten, die Milchkühe und auch für das Sammeln von Holz und Wasser verantwortlich. Männer leben auch hier polygam, jede Frau besitzt allerdings ihre eigene Hütte.
Der Perlenschmuck, den Mädchen um den Hals tragen, ist ein Geschenk von jungen Samburu-Kriegern, um diese für sich zu reservieren. Die Männer dürfen dafür mit den Mädchen Sex haben, wann immer sie wollen. Die Perlen kennzeichnen die Frau als Besitz des Mannes.
Den Sonnenuntergang erleben wir direkt am Salzsee, beobachten Pelikane und Dorfbewohner, die die Abendstimmung schwimmend geniessen.
Die Turkana leben traditionell hauptsächlich als Nomaden und halten Kamele, Rinder (Zebu), Schafe und Ziegen, die ihnen Milch, Blut und Fleisch als Nahrung liefern. Das Vieh dient zusätzlich als eine Form von Währung zum Verhandeln eines Brautpreises und als Aussteuer.
Die El Molo sind eine kleine Volksgruppe, die am südöstlichen Ufer des Turkanasees lebt. Der Gemeindepräsident führt uns durch sein Dorf.
Die Ursprache der El Molo ist verschwunden und sie sprechen heute Maa, die Sprache der verbündeten Samburu und Turkana. Traditionell leben die El Molo von der Fischerei sowie von der Jagd.
Fischerboot aus Palmholz
Der Dorfchef erzählt uns von den Sorgen und Nöten der Al Molo Bewohner. Es ist sehr heiss und trocken am Lake Turkana. Trinkwasser ist rar, Ackerbau ist nicht möglich und so müssen alle Lebensmittel herangeführt werden was viel kostet.
Die Dorfschule mit 100 Kindern, 5 Lehrern und einem neuen Schulhaus wird vom Staat finanziert. Bücher und Schreibzeug muss das Dorf stellen. Die einzige Einnahmequelle ist der Fischfang und Tourismus. Nur wenige finden den beschwerlichen Weg an den See. Wir bezahlen einen Batzen in die Schul- und Dorfkasse.
Europäer betrachteten die El Molo aufgrund ihrer geringen Zahl und der kulturellen Beeinflussung durch die Samburu oft als „aussterbendes Volk“. So wurden 1934 noch 84 gezählt, heute sind es wieder 2600, aufgeteilt in zwei Dörfer.
Der Besuch von Urvölkern ist ein unter die Haut gehendes Erlebnis. Plötzlich stellt man sich kritische Fragen über unsere Lebensweise in Europa. Wie weit weg wir von natürlicher Lebensweise, Lebensmitteln, Verhalten und Medizin sind. Wie schräg es ist, für Bio Gemüse Unmengen mehr zu bezahlen wo das doch die Norm sein sollte.
Wie ungesund und überflutet unser Konsumverhalten ist und was wir uns an Unnötigem kaufen und leisten.
Demütig verlassen wir das Dorf und die sehr freundlichen und offenen Bewohner.
Der Dorfmarkt wurde speziell für uns geöffnet.
Wir bleiben eine weitere Nacht in Loiyangalani. Morgen werden wir Richtung Süden fahren.
Fazit der der Woche: Was macht das Leben lebenswert?
Liebe Beide.
Euer Bericht gibt uns wieder einen tollen Einblick, was Ihr alles erleben könnt. Ihr macht das einfach richtig gut. Dieses ungute Gefühl ,was den Überfluss und den Konsum bei uns betrifft ,kennen wir gut und teilen Eure Meinung.
Fremde Länder und Ihre Menschen zeigen uns, wie wenig es braucht um glücklich zu sein.
All unsere guten Gedanken begleiten Euch weiter.
Hebets eifach guet und blibet gsund.
Herzlichst Irene und Paul