12.-19.2.2023 Antarktis wir kommen

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Wie fühlt Frau und Mann sich am Ende der Welt? Ushuaia ist die Hauptstadt der Provinz Tierra del Fuego, der Inselwelt von Feuerland. Sie hat ca. 65’000 Einwohner und lebt hauptsächlich vom Tourismus.

Das Wetter ist ganzjährig kalt, feucht und windig. Ushuaia ist die südlichste Stadt in Argentinien. Der erste Eindruck der Stadt ist gar nicht mal so schlecht. Am Beagle Kanal gelegen starter hier grosse, mittlere und kleinere Schiffe in die Antarktis.

Der Blick in den Hafen und die umliegenden Berge ist schön. Hier flaniert man die Einkaufsmeile auf und ab, kehrt in eines der vielen Restaurants ein und beobachtet internationale Touristen. Schön im Sinne von Altstadt Luzern, Zürich, Basel oder sogar Thun ist Ushuaia nicht.

Die Stadtentwicklung lässt jegliche Planung und Ordnung vermissen, schönes und hässliches steht nahe beisammen, Wildwuchs an Architektur ist überall sichtbar.

Um 8 Uhr morgens stehen wir bei Freestyle Adventure Travel vor der Tür und lernen Carolina Gomez kennen, die uns seit 3 Monaten regelmässig „letzte Minute“ Offerten schickt.

Carolina spricht perfekt englisch, gibt uns Tipps für die Bootsfahrt und kleidet uns mit warmen Hosen, Handschuhen, Mützen und Geschenken ein. Wir sind schon aufgeregt, fast wie vor Weihnachten.

Und dann haben wir nochmals Bescherung. Chasper aus der CH bringt uns Notfallmedis (Bienenstiche) Bücher und eine Mundharmonika mit Beginnerkurs mit. Hansruedi Brun aus Kriens hat das möglich gemacht. Danke vielmals Hansruedi, ich habe so Freude an diesem kleinen Instrument.

An den Abenden essen wir immer mit den Fab Four, Marlis, Kurt und Chasper, plaudern und essen fein. Langeweile kommt da nicht auf.

Heute ist unser grosser Tag, die Ocean Diamond erwartet uns. Bänzli hat einen sicheren Platz, der Kühlschrank ist geputzt und ausgeschaltet, es kann los gehen.

Zuvor heisst es Abschied nehmen von Maeggy und Ralf, sie wollen im Juli zurück in der CH sein und sich auf das Baby vorbereiten. Mit Wohnort Luzern haben wir den Trumpf Bauer in der Hand, sie als Familie wieder zu sehen.

Den Termin, wann wir Myriam und Timon wieder treffen weiter nördlich in Chile, habe ich auf der Karte fett eingetragen. Auf Wiedersehen ihr zwei, gute Fahrt und bis später.

Chasper hat auf dem Flug nach Ushuaia einen Fotografen kennen gelernt. Beim Gespräch stellt sich heraus, dass er auf unserem Schiff für Fotos zuständig ist. Er überzeugt Chasper, dass eine Expedition in die Antarktis ein Muss ist und so sind wir zu fünft auf der Diamond.

Die Ocean Diamond fährt unter US Flagge. Nach Gesundheits- und Impfkontrolle werden wir mit Bussen zum Schiff gefahren. Alles ist perfekt organisiert, alles wird zügig und freundlich erklärt und schon läuft die Diamond aus mit 160 Passagieren und 100 Besatzungsmitglieder. 5 Stunden dauert die Fahrt dem Beagle Kanal entlang bis wir zur Drake-Passage (Passage zwischen Feuerland-Antarktis, Trennung Atlantic-Pazifik) kommen. 5 h Ruhe vor dem Sturm – auf jeden Fall für mich. Wir nehmen auf Order unserer Schiffsärztin Ann brav unsere Tabletten gegen Seekrankheit ein.

Die Drake Passage gilt als stürmisches Gewässer mit Wellen schnell mal zwischen 8 und 15 Metern.

Trotz nur 3 Meter Wellen erwischt es mich, ich liege den ersten Tag im Bett – Jammer, Jammer. Am obligatorischen „Zodiac“ Briefing kann ich nicht teilnehmen. Zodiac werden die Ausflugsboote genannt.

Unsere Kaltwetter-Garderobe inkl. Handschuhe wird geprüft auf Dicke und Funktionalität und wir bekommen Gummistiefel die nach jedem Landausflug desinfiziert werden.

Fachvorträge über die Antarktis, Gletscher, Vögel, Wale, Steine usw. sind an der Tagesordnung und nebenbei werden wir verwöhnt mit unglaublich gutem und abwechslungsreichem Essen.

Shane, unser Tourguides, ruft uns früh morgens auf das Deck 7. Zieht warme Kleider an, es herrschen Minustemperaturen. Seiner natürlichen Autorität widerspricht keiner. Wir trauen unseren Augen kaum, wir sind umrundet von Eisbergen, sehen Pinguine schwimmen und Robben ausruhen auf Schollen.

Lemaire ist ein 11 km langer und 1.6 km breiter Kanal, die engste Stelle ist gerade mal 800 Meter breit und durch dieses Öhr lenkt unser Kapitän das Schiff behutsam. Die Berggipfel sind in Nebel gehüllt, es ist kalt und mystisch.

Endlich ist es soweit, im Port Charcot ist unser erster Schlauchboot Ausflug.

UNTEN: Thermo Unterwäsche, Wanderleggins, wasserdichte Hose, Skihose

OBEN: Thermo Langarm-Shirt, Baumwoll Jacke, Steppjacke und Doppel Wärme-Regenschutzjacke

DAZU: Socken, Handschuhe, Mütze und Schal.

Ausgestopft und unbeweglich wie ein Astronaut steigen wir in den Zodiak. Auf der Insel lebt eine Kolonie der Getoo Pinguine. Es herrschen strickte Regeln wo wir laufen dürfen, welcher Abstand gehalten werden muss usw.

Schon putzige Tiere, diese Pinguine, so süss sie zu beobachten sind so scheusslich stinken sie. Die Rückfahrt zum Schiff ist eine sehr wellige und nasse Angelegenheit.

Der Nachmittagsausflug zur Insel Argentino fällt ins Wasser.

Shane entschliesst, dass wir direkt zum südlichsten Punkt der Expedition schippern. Das heisst wieder offenes Meer, wieder seekrank, Jammer, Jammer.

Morgens um 07 h schippern wir über den Antarctic Circle 66°33’, den südlichen Polarkreis. Hier sollte eine Zodiac Fahrt stattfinden, leider fällt auch sie ins Wasser.

Dafür umkreisen Buckelwale unser Schiff und wir können sie ganz nahe beobachten.

Walfilm

Petrus meint es gut mit uns. Die Petermann Insel ist nahe dem Lemaire Channel und wird 1873 vom deutschen Forscher August Petermann entdeckt. Es ist strahlend blauer Himmel. Wir gehen an Land und sehen die putzigen Pinguine aus nächster Nähe. Mehrere Buckelwale schwimmen nur Meter entfernt an unseren Zodiacs vorbei. Mir schiessen die Tränen in die Augen, was für tolerante und sensible Kolosse diese Tiere doch sind. Auf Yalour Island brüten 8’000 Adélie Pinguine Paare ihre Eier aus.

Nur 50 Prozent des Nachwuchs schafft es ins Erwachsenenalter. Es ist ein Tag der Superlative, alles passt von Wetter über Tiersichtungen und zum krönenden Abschluss kommt das Baden in der Antarktis.

Die Stimmung ist ausgelassen und alle in Bademäntel gehüllten kommen in Partylaune. Mantel runter, Gurt um die Taille, Sprung ins kühle Nass, abtauchen, auftauchen, atmen, raus aus dem Wasser, Schnapps ex runter und Freudenschrei loslassen. Ice Ice Baby!

Der Neko Harbour liegt ca. 11 km südlich vom Errera Kanal entfernt.

Hier nisten 2000 brütende Paare Gentoo Pinguine. Wir stapfen ausgestopft wie eine Wollpuppe dem vorgegebenen Pfad entlang und ergötzen uns ob den köstlichen Pinguinen. Wie sie sich bewegen, ihr Verhalten – einfach lustig zuzusehen.

Wir zodiaken um den Paradise Harbour und fahren an der argentinischen Station Admiral Brown vorbei. Wieder sehen wir Buckelwale und einen Leopard Seehund. Die Landschaft, die vielen Gletscher, die Eisberge, die Tiere, das alles bei gutem Wetter – ein einmaliges Erlebnis.

160 gelbe Pinguine in menschengrösse sind an Bord, verschiedene Nationen, jung und alt, alt in der Mehrzahl. Aussies erzählen von Down Under, Japaner und Chinesen erzählen auch, nur versteht sie keiner, die Amis kauen die Buchstaben in die Breite, die Schweizer erzählen in Emil Manier, die Holländer wenden sich sprachtalentiert an alle, Spanier, Finnen, Russen und weitere Nationen verstecken sich hinter gutem Englisch. Es kommt eine ganz bunte Truppe zusammen auf der Diamond.

Und genau diese Truppe wird verwöhnt mit einem Barbecue an Deck. Wieder unbeweglich wie ein Astronaut bedienen wir uns am Buffet, latschen zum Tisch und essen. Die sehr laute und nebenbei scheussliche Musik macht Unterhaltung unmöglich. Unser Ziel des Abends? Schnell essen, schnell wieder gehen, schnell an die Wärme. Kann ein Lesender verstehen, warum diese komische Kreatur Mensch laute Musik braucht in herrlichster ruhiger Natur der Antarktis? Mir auf jeden Fall fehlt jegliches Verständnis für die Zwangsbeschallung und Werni zieht nach einiger Zeit entschlossen den Stecker der Anlage. Endlich ist eine Unterhaltung möglich aber …… fast alle sind schon verschwunden im Schlund des Schiffes.

Film

Der Danco Island mit seinen 1600 Paaren Gentoo Pinguinen im Errera Kanal gilt unser nächster Besuch. Wieder staunen, beobachten, schmunzeln, knipsen – wieviele Pinguine habe ich schon abgelichtet?

Unter Donner und Getöse erleben wir bei der Wilhelmina Bay einen beeindruckenden Eisabbruch. Die Flutwelle erreicht unseren Zodiac, Naturgewalt pur. Tief blau schimmernde Eisberge verwandeln das Meer in einen schwimmenden Skulpturenpark, Buckelwale atmen geräuschvoll aus, weiteres Staunen ob Mutter Natur.

Auch Mitreisende zu beobachten ist spannend. Da sind:

Die Strickende, in Selbstgespräche versunkene, grauhaarige Dame die auf keinen Gruss antwortet.

Der stark übergewichtige farbige Mann der keinen Zodiac-Ausflug mitmacht aber mit Kopfhörern in der Bar Musik hört.

Die süsse, unter 1.50 Meter grosse, ältere Asiatin die frech den Sprung ins Meer wagt.

Der bescheidene, ruhige Amerikaner, der als Single Reisender den Vorsatz zu haben scheint einfach nicht aufzufallen und sich 1 h steuern auf der Brücke ersteigert.

Die Ärztin aus Dubai deren Implantate in den Wangenknochen fast zu platzen drohen und deren Aufspritzt-Lippen den jungen Lover zu beeindrucken scheinen.

Margarita, die süsse und äusserst hübsche Frohnatur aus Spanien die den Ausflug zum Selfi – Event nutzt.

Das gläubige Paar aus Utah das den Essraum in einen Laufsteg verwandelt und uns spontan in Utah einlädt.

Carlota unsere philippinische Kellnerin die immer grosszügig Wein nachschenkt und die Fröhlichkeit dauergemietet zu haben scheint…….. usw.

Wir fahren durch Neptune’s Bellows, eine engere Passage in den Kratersee von Deception Island. Dieser Fleck Erde ist Zeuge einer traurigen Vergangenheit. Mehrere Tanks beweisen das Abschlachten der Wale und deren Tran Gewinnung. Auch stehen Überreste einer britischen Antarktis-Vermessungsbasis, die 1967 während eines Vulkanausbruchs evakuiert wurde. Weitere Ruinen wie BAS-Basis Station B, ein Zentrum für Flugzeuge 1955-57 und 1959-69 modern vor sich hin. Der Strand ist mit Asche bedeckt, die Tiere kümmerts wenig.

Im Kanonentempo, Entschuldigung das Wort, scheissen die Pinguine einen weissen Strahl ca. 50 cm Richtung hinten raus. Dazu mischt sich der weisse Strahl mit kupferfarbenem Festmaterial. Und dieses Bild ist keine Kunst ….

….sondern das Werk eines Pinguins.

Wir kommen spät auf Süd Shetlands an und werden erst um 18 h zur Zodiac Fahrt aufgerufen. Shane meldet, dass wir ganz nahe Streifenpinguine sehen. Wir haben den 5. Tag in Folge schönes Wetter und wir sind alle sehr ausgelassen. Ich bin verschnupft, möchte aber trotzdem mit auf die letzte Fahrt. Schlafen können wir ja dann auf der Drake Passage.

Wieder und wieder gibt es leckeres Essen. Wir teilen den 8er Tisch mit 2 sehr netten holländischen Paaren, auch Overlander, und manchmal gesellt sich Chasper dazu, unser sehr netter Weihnachtsmann aus der Schweiz.

Der Drake Kanal muss wieder überquert werden, bei mir wieder Jammer, Jammer. Doch die total 4 Tage Jammer Jammer waren es für die 9 Tage dazwischen wert. Ein einmaliges Erlebnis, wunderbare Tierbegegnungen, ein super nettes und aufgestelltes Schiffsteam, die tollen Fachvorträge, das hammer Essen – einfach nur schön und einzigartig. Danke Antarktis dass du dich von deiner schönsten Seite präsentiert hast.

Es heisst Abschied nehmen von der Diamond, dem Personal, den Expeditionsleitern und der bunten Gästeschar. Die meisten haben noch 1 Nacht in Ushuaia bevor sie nach Hause fliegen.

Hier trennt sich auch der Weg von Marlis und Kurt. Die beiden wollen noch ein paar Tage ins Hotel in Ushuaia und wir suchen die Ruhe. Auf Wiedersehen ihr zwei Lieben, was hatten wir doch für eine unglaublich schöne Zeit zusammen.

 

Fazit von 2 Wochen: ein Erlebnis für die Ewigkeit 

6 Kommentare zu „12.-19.2.2023 Antarktis wir kommen

  1. Liebe Heidi und lieber Werni, wir freuen uns so mit euch, hattet ihr ein sooo tolles Antarktis-Erlebnis. Tolle Bilder und so amüsant geschrieben. Ich fühlte mich beim Lesen so nah bei euch.
    Wir freuen uns euch baaaald im Norden von Chile oder sonst wo wieder zu treffen.
    Liebe Grüsse aus El Calafate, Timon und Myriam

  2. Wow!!! welch wunderbare Erlebnisse und euer Kopf muss voll sein mit so vielen Eindrücken. Tierwelt immer ein Staunen wert, Menschen wohl auch.
    Da kann so ein Sprung ins kalte Nass eine gute Sache sein. Mutig! Ich wünsch euch weiterhin spannende Glücksmomente

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